Zwischen Frankfurt und Nador: Die vergessene Brücke der marokkanischen Diaspora
Im Herzen Europas, in Frankfurt am Main, lebt eine große Gemeinschaft von Marokkanerinnen und Marokkanern – viele von ihnen stammen aus der Rif-Region im Norden des Landes. Sie arbeiten, zahlen Steuern, schicken Geld nach Hause und tragen so seit Jahrzehnten zur Entwicklung beider Länder bei. Doch sobald sie den Wunsch verspüren, in ihre Heimat zu reisen, stößt ihre Verbundenheit auf ein altbekanntes Hindernis: Es gibt keine direkte Flugverbindung zwischen Frankfurt und Nador.
Zwischen Umstiegen und Bürokratie
Seit Jahren müssen Reisende aus der Region Frankfurt Umwege über Amsterdam, Brüssel oder Madrid in Kauf nehmen, um ihre Familien in Nador oder im Umland zu besuchen. Was eine vierstündige Reise sein könnte, dauert oft über zehn Stunden – mit langen Zwischenstopps, überteuerten Tickets und zusätzlichem Stress, besonders für ältere Menschen und Familien mit Kindern.
Viele beschreiben ihre jährliche Heimreise als „Odyssee zwischen Flughäfen und Grenzen“. Diese Situation ist nicht nur unpraktisch, sondern auch ein Zeichen struktureller Vernachlässigung einer großen Bevölkerungsgruppe, die nach wie vor stark mit ihrem Herkunftsland verbunden ist.
Die Stimme der Zivilgesellschaft
In den letzten Monaten haben mehrere marokkanische Kultur- und Religionsvereine in Frankfurt offizielle Schreiben an die marokkanische Regierung und an das Ministerium für Verkehr und Logistik gerichtet. Ihr Anliegen ist klar, Ein direkter Flug zwischen Frankfurt und Nador.
In einem dieser Schreiben heißt es:
„Es geht nicht um Komfort oder Luxus, sondern um das Recht auf Nähe. Unsere Gemeinschaft verdient dieselbe Anbindung wie andere Regionen Marokkos.“
Die Vereine betonen, dass eine solche Verbindung nicht nur den sozialen Zusammenhalt stärken, sondern auch wirtschaftliche Impulse für die gesamte Rif-Region auslösen würde – etwa durch Tourismus, Handel und Investitionen der Auslandsmarokkaner.
Ein Ungleichgewicht im Luftverkehr
Während Casablanca, Marrakesch oder Agadir über direkte Flugverbindungen zu fast allen europäischen Hauptstädten verfügen, bleibt der Norden Marokkos – und besonders Nador – am Rande der Luftverkehrslandkarte.
Diese Situation spiegelt, wie Vertreter der Diaspora kritisieren, eine „übermäßige Zentralisierung“ wider, die den tatsächlichen geografischen und demografischen Realitäten nicht gerecht wird.
Tatsächlich leben in Deutschland – vor allem in den westlichen und südlichen Bundesländern – Hunderttausende Marokkaner, von denen mehr als die Hälfte aus der Rif-Region stammen. Nach inoffiziellen Schätzungen umfasst die marokkanische Gemeinschaft in Deutschland über 250.000 Menschen, die häufig zwischen ihren zwei Lebenswelten pendeln.
Von der Reiselast zur Identitätsfrage
Für viele ist der Flug nach Nador mehr als eine Reise – es ist eine Rückkehr zur Herkunft, zur Sprache, zur Familie. Jeder zusätzliche Umstieg ist ein Symbol für die Distanz, die zwischen Diaspora und Heimat gewachsen ist.
Mohamed, seit 20 Jahren in Frankfurt lebend, sagt:
„Wenn ich nach Nador fliegen will, muss ich durch drei Länder reisen. Es fühlt sich an, als würde ich jedes Mal die Grenze zwischen Erinnerung und Zugehörigkeit überqueren.“
Kommentar von Bouchaib El Bazi
Es ist an der Zeit, dass die marokkanischen Behörden und Royal Air Maroc ihre Flugstrategie neu überdenken. Eine direkte Verbindung zwischen Frankfurt und Nador wäre nicht nur eine wirtschaftliche Entscheidung, sondern ein Zeichen des Respekts und der Anerkennung gegenüber einer Gemeinschaft, die Marokko nie vergessen hat.
Ein solcher Flug würde die emotionale und wirtschaftliche Brücke zwischen den beiden Ufern stärken – zwischen der Rif-Diaspora in Deutschland und ihrem Ursprungsland.
„Marokko hat seine Diaspora nie durch Grenzen verloren – nur durch fehlende Verbindungen. Eine direkte Linie Frankfurt–Nador wäre kein einfacher Flug, sondern eine Geste der Verbundenheit“,